Impfen
Den größten Teil der Geschichte unserer Spezies waren Infektionskrankheiten normaler Teil des Lebens und in vielen Fällen auch dessen Ende. Eine Infektionskrankheit löschte vor wenigen hundert Jahren ca. ⅓ der Bevölkerung Mitteleuropas aus. Mitte der 1980er Jahre trat eine bis dahin unbekannte Infektionserkrankung auf die Weltbühne, die zum damaligen Zeitpunkt Angst und Schrecken verbreitete. Heute haben wir uns an die Gefahren, die vom HI-Virus ausgehen, „gewöhnt“ und unsere Gewohnheiten angepasst. Durch Entwicklung neuer Medikamente wurde aus einer tödlich verlaufenden Erkrankung eine chronische mit zunehmend höherer Lebenserwartung. Zumindest für die, die in Gesellschaften leben, die sich diese Medikamente leisten können. Im eigentlichen Sinne verhindern können wir eine HI-Infektion bislang nicht. In Westafrika bricht in den letzten Jahren immer wieder Ebola aus und tötet dort tausende Menschen. Mittels Hygiene und symptomatischer Therapie versuchen wir, die Folgen für unsere infizierten Artgenossen klein zu halten und die weitere Ausbreitung einzudämmen. Hier gibt es aber konkrete Hoffnung auf einen wirksamen Impfstoff, der eben mehr ist als eine symptomatische Therapie: präventiv, eine Vorbeugung des Krankheitsausbruchs.
Eine einfache Frage weist den Weg in eine Zukunft, in der weniger Ressourcen in die Therapie manifester Erkrankungen fließen und weniger Menschen leiden und sterben müssen:
„Gibt es schon eine Impfung?“
Als Menschen die in einer Umwelt leben, in der Infektionskrankheiten in der Mehrzahl allenfalls lästig sind, haben wir vielleicht die Erleichterung vergessen, die Menschen empfinden können, wenn ihnen eine Injektion gegen eine Infektion verabreicht wird. Impfungen sind für uns oft ebenfalls vor allem eins: Lästig.
Lästig, weil Kinder schreien, wenn sie geimpft werden und wir unseren Kindern Schmerzen und Angst ersparen wollen, wo es geht. Lästig, weil wir selbst gesund zur Ärztin müssen, um uns gegen eine abstrakte Gefahr zu schützen und dafür einen konkreten Pieks erhalten. Lästig, weil wir durch Aktionen in den Medien oder Zeitungsartikel an unser Versäumnis erinnert werden. Lästig, weil es Menschen gibt, die intensiv auf angebliche Gefahren von Impfungen aufmerksam machen wollen.
Ich bin selbst nicht gegen Masern geimpft und durfte die Chance nutzen, mich im Rahmen einer natürlichen Infektion zu „entwickeln“. Nachdem meine Mutter das erlebt hatte, wurden alle meine Geschwister geimpft. Trotzdem habe ich von zu Hause eine gehörige Portion Skepsis gegenüber jeglicher medizinischer Intervention mitgenommen, Impfungen inklusive. Der „natürliche“ Weg, so mein Vater, sei „gut für das Immunsystem“. Glücklicherweise ging die Haltung nicht in Dogmatismus über, so dass ich notwendige Therapien in der Regel erhielt. Bis auf das eine Mal, als mein Vater eine Platzwunde an meinem Kopf selbst versorgte, nachdem er es ein paar Jahre vorher bei einem Arzt beobachten konnte. Lesende mögen ihre eigenen Schlüsse über die Folgen ziehen.
Ich war daher lange gegenüber Impfungen skeptisch eingestellt, ohne entsprechend zu handeln, ich hatte in der Regel einen aktuellen Impfpass. Meine Skepsis hatte jedoch nie ein faktisches Fundament. Im Medizinstudium lernte ich die Grundlagen des Immunsystems kennen und verstand, wie Impfungen funktionierten: Elegant. Solch eleganten und gezielten Lösungen wünscht man sich in jedem Bereich in der Medizin. Die Lösung „Impfung“ ist so wirksam und effizient, dass wir im Alltag längst gar nicht mehr erfahren, was sie uns ersparen. Leider – die unmittelbare Wahrnehmung sensibilisiert für so manches.
Durch meine Beschäftigung mit dem Buch von Martin Hirte „Impfen Pro & Contra“ hatte ich die Möglichkeit, nach dem Studium erneut in dieses spannende Feld einzutauchen und war immer wieder fasziniert von des Fragen, die sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen und wie sie versuchen, diese möglichst präzise zu beantworten. Hinter diesem kleinen Pieks steckt so viel Know-How, dass es einfach schade wäre, diese interessanten und auch spannenden Informationen nicht zu verbreiten und sie mehr Menschen nahe zu bringen. Impfungen retten nicht nur Leben, die Wissenschaft dahinter und der Alltag damit ist auch interessant und lehrreich.
Darum soll es auf diesem Blog gehen. Wir wollen Geschichten über das Impfen erzählen. Wir wollen darüber informieren und werden uns an der einen oder anderen Stelle darüber streiten. Wir freuen uns auf Rückmeldungen.
Disclaimer
Dieser Blog will und kann keine medizinische Beratung ersetzen. Auch einzelne AutorInnen werden keine individuelle medizinische Beratung erteilen. Dazu werden wir auf Kinder- und Jugend- sowie HausärztInnen verweisen.
Inwieweit wir eine Kommentarfunktion einbauen werden, wird sich zeigen. Klar ist, dass es ausreichend Platz im Netz gibt, um unwidersprochen Falschinformationen zu verbreiten, dieser Blog gehört nicht dazu.
Wir werden uns irren. Weist uns darauf hin, inklusive konkreter Belege, wir sind froh darüber und stellen dann auch gerne richtig.
Informationsnetzwerk Impfen
Autor:
Dr. Jan Oude-Aost
Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie